Mein Beitrag “Zu viele Baustellen – ein starker IT-Planungsrat könnte helfen!” hat an der einen oder anderen Stelle für Diskussion gesorgt. Der Eintrag hat mir Kritik eingebracht – aber das Thema scheint zu polarisieren. Und so verkehrt liege ich dann wohl auch nicht mit meinen Gedanken und Ideen. Ein in der letzten Woche veröffentlichtes Eckpunkte-Papier des ISPRAT als Ergänzung zur Nationalen E‐Government‐Strategie (NEGS) mit dem Titel “Mobil? Aber sicher!” zeigt m.E. das ganze “Dilemma”, das ich dort beschrieben habe, noch einmal sehr schön auf.
Im Grunde völlig richtige Aussagen, keine Widerrede. Es sind im Wesentlichen aber zwei Punkte, die mich stören. Zum einen darf “mobile Government” (im Folgenden nur “mobGov”) nicht als selbständige neue Strategie neben eGovernment angesehen werden. So aber lesen sich einzelne Sätze des Papiers. Es muss bei den Anstrengungen zur Neustrukturierung unserer Verwaltung in den nächsten Jahren vor allem darum gehen, die verschiedenen aktuellen und zukünftigen Themen der Verwaltungsmodernisierung zu priorisieren und zu bündeln. Das heißt, das „Open“ mit dem „Mobile“ und dem „e“ zu verzahnen. Das Thema “mobile” ist eine Erweiterung der bestehenden (Zugangs-)Kanäle und bringt neue Möglichkeiten für neue Prozesse mit sich. Nicht mehr und nicht weniger. Wobei ich die Schwerpunkte der mobGov-Aktivitäten anfangs eher auf den internen Verwaltungsbereich und die dortigen Prozesse konzentrieren würde. Zu viele Apps machen die Verwaltung auch nicht moderner. Und auch das Thema der „Interoperabilität“ darf dabei nicht aus den Augen gelassen werden. An dieser Stelle sei aber auch ein Verweis auf eine OECD-Studie erlaubt, die zwar schon im Herbst 2011 veröffentlicht wurde, die aber aufschlussreiche Beispiele aus anderen Ländern benennt. Und sie zeigt vor allem – und das ist dann auch schon der zweite Punkt, der mich stört – dass mobGov mehr ist als nur Apps, BYOD und Security. Es ist ein viel weiteres Feld. Zu beachten ist hier auch die SMS. Ja, auch diese Technologie wird m.E. unter den demographischen Gesichtspunkten unserer Gesellschaft noch einmal wichtig.
Vor dem Ausrollen einer mobGov-Strategie sei aber noch auf ganz andere Probleme hingewiesen, die hier nur kurz angesprochen werden können, aber schnellstmöglich einer Klärung für den PS bedürfen: Es fängt mit den Arbeitsverträgen der Mitarbeiter an, die zum Großteil nicht auf ein solches Vorgehen vorbereitet sind, dazu kommen weitere arbeitsrechtliche Punkte sowie Fragen der Mitbestimmung, des Lizenzrechtes, des Managements der Endgeräte, Punkte wie Datenschutz etc. Eine Hilfe zur Orientierung könnten hier die vor Jahren erstellten Richtlinien zur sog. Telearbeit leisten.
Mit Blick auf den Titel dieses Eckpunktepapiers beschleicht mich aber noch ein anderer Gedanke. Es geht dabei nicht um das inhaltliche Thema mobGov, sondern eher um das strategische Vorgehen an sich. Konkret um die nachträgliche Erweiterung der NEGS. Sollten uns nicht eher Fragen umtreiben, wie wir ein solches Problem – Ergänzen einer vielleicht “veralterten” Strategie – zukünftig umgehen können? Und da bin ich dann auch bei den Forderungen aus meinem alten Blogpost: Wir benötigen m.E. dringend eine Institution, die auch autorisiert ist, Strategiewechsel zur Erreichung eines definierten Leitbildes für unsere Verwaltungen in den föderalen Strukturen vornehmen zu können. An diesem vorgedachten und definierten Leitbild einer Verwaltung der Zukunft können sich Bund, Länder und die Kommunen orientieren. Zur Umsetzung dieser Strategie werden “Leitplanken” gesetzt, die einen bestimmten rechtlichen und entscheidungsrelevanten Rahmen für diese Maßnahmen und ihre Umsetzung vorgeben. Und dabei ist es – mir persönlich zumindest – egal, welche Institution das sein wird. Der IT-Planungsrat war nur ein Vorschlag, weil er schon bestimmte rechtliche Befugnisse aus dem IT-Staatsvertrag besitzt. Auch über die zahlenmäßige Vertretung der Kommunen und vielleicht eine etwas „vernetztere“ Arbeitsweise lässt sich gut diskutieren. Aber wie das Thema mobGov sehr deutlich zeigt, wir haben an dieser Stelle ein Problem: Wir können nicht jede technische Entwicklung über Jahre voraussehen. Und wenn wir bei der Umsetzung der Strategie zu sehr vom Kurs abkommen oder sich andere Rahmenbedingungen ändern, hilft uns ein klares Leitbild entsprechend „nachzujustieren“. Aber auch das geht nur, wenn wir das Ziel – das Leitbild – zu jeder Zeit fest vor Augen haben. Und wenn es eine Institution gibt, die zum nachzujustieren berechtigt ist!
Versetzen wir uns kurz zur Verdeutlichung der Situation in die Lage eines eGov-Verantwotlichen in einer durchschnittlichen deutschen Kommune: Er hat für seine etwa 100 bis 150 Tausend Bürger und Unternehmer etwa 70 bis 100 verschiedene Fachverfahren zu betreuen. Jetzt soll er einen “Zukunftsplan eGov” erstellen, um die Mittel für die kommenden Jahre im Haushalt zu sichern. Wer aber hilft ihm dabei und sagt die IT, die Lösungen oder die Architekturen der Zukunft voraus? Der Mitarbeiter in der örtlichen Verwaltung, der vielleicht nur mit einer halben Stelle das Thema eGov betreut, kann es jedenfalls nicht. Den Kommunen, die die Hauptlast der alltäglichen Verwaltungslast tragen, muss bei der Behebung dieser Probleme geholfen werden. Und dazu kann eine Vision und eine Institution zur Umsetzung sehr hilfreich sein. Und dann brauchen wir zukünftig auch kein solches Eckpunkte-Papier…