Dirk Arendt: „Berlin, Berlin, Berlin…“

Drk Arendt Berlin
Drk Arendt Berlin

Berlin – das ist meine Stadt! Warum ich diese Stadt so mag? Zuerst ist es natürlich meine Heimat: Hier bin ich geboren, hier lebe ich, hier will ich alt werden. Aber sonst?

Viele behaupten, Berlin sei nicht schön. Das mag stimmen – aber Berlin lebt mit den schönen Widersprüchen in sich: Berlin ist (manchmal) dreckig, grau und spröde und kann zugleich auch so schön sauber, bunt und zugänglich sein. Dazu das viele Grün mitten in der Stadt, das Wasser und die ganz unterschiedlichen Ecken. Berlin ist eine Stadt voller kleiner Dörfer, voller Mittelpunkte, die jeder für sich stehen. Jeder dieser Kieze ist geprägt durch seine ganz verschiedenen Charaktere und Mentalitäten:  Der Stuttgarter Platz, der noch für das alte West-Berlin steht – das hier in Charlottenburg heimlich, aber doch ganz offen weiterlebt; dazu die Gegend rund um die Torstraße in Mitte, vor ein paar Jahren noch postsozialistisch vor sich hin vegetierend, lebt der Bereich ausgehend vom Rosenthaler Platz und dem Sankt Oberholz, wo sich junge Menschen mit ihren Notebooks dicht gedrängt aneinanderreihen, als innovativer Schmelztiegel für Mode und zahlreiche Galerien auf. Dazu die Party-Meilen im Friedrichshain, der Grunewald oder die fast ländlichen Bereiche im Norden der Stadt mit Lübars, Frohnau oder Blankenburg. Berlin ist anders als andere Städte. Berlin ist gleicher, Berlin ist offener – für (fast) alles! Und damit ist nicht die fehlende Sperrstunde gemeint.…BITTEWEITERLESEN…

Viele behaupten, der Berliner sei nicht nett. Aber auf die ihm eigene Art ist er doch wieder sehr charmant. Dieser schöne Berliner Humor, diese knappen, flapsigen Antworten, genau in dem Moment, wo man überhaupt nicht damit rechnet, gepaart mit diesem Schuss Arroganz. Welche Stadt hat schon für sich eine eigene Umgangssprache entwickelt, mit der sie sich selbst aufs Korn nimmt? Ich mag ihn den Berolinismus, den Berliner und seinen fast schon rotzigen Humor.

Ja, entweder mag man die Stadt oder nicht: Aber so ist Berlin!

Barcelona ist klasse, keine Frage, New York unglaublich, Hongkong einfach unbeschreiblich, Wien so schön kitschig – aber es ist diese Mischung aus so vielen verschieden Punkten, die mir Berlin so ans Herz haben wachsen lassen. Und die Stadt lebt immer weiter mit ihren vielen Widersprüchen. Diese Widersprüche in der Stadt an sich hat Hajo Schumacher vor kurzem sehr passend in dem Artikel „Warum Berlin den deutschen Provinzler überfordert“ in der „Welt“ an Hand von einigen wirklich treffenden Beispielen zum Problem „BER“ auf den Punkt gebracht:

Wenn der Spießbürger aus Restdeutschland feiern will, kommt er drei Tage nach Berlin und möchte unbedingt dazugehören. Den Rest des Jahres hasst er die Stadt. Das passt nicht zusammen.

Was auf so viele Probleme Berlins passt, das ist dieser schöne Satz aus dem gleichen Artikel: „…hier funktioniert nicht alles so reibungslos wie in eurer gekärcherten Reihenhaus-Langeweile.“ Das muss nicht weiter kommentiert werden. … So ist der Berliner – den bekommste auch nicht mehr verbogen!

Und ganz ehrlich, genau das Gleiche habe ich mich auch erst vor ein paar Tagen wieder nach einem längeren Arbeitstreffen gefragt: „Warum fragt einen jeder Geschäftsreisende nach der vierten Molle, zwinker-zwinker, wo denn noch was los sei?“ Ja, warum eigentlich, wenn Berlin doch angeblich so furchtbar ist…?

Ja, entweder mag man die Stadt oder nicht: Aber so ist Berlin!

Was aber macht Berlin noch so liebenswert? Es ist das ständige Erneuern, aber zugleich in den alten Strukturen Verharrende, an der Geschichte hängend, dieser Schuss Selbstmitleid, der der Stadt und ihren Bewohnern nach all den Schicksalsschlägen der letzten Jahrzehnte anhaftet. Nehmen wir doch die City-West als Beispiel: der Kurfürstendamm, den jeder nur als den Ku’Damm kennt, den Tauentzien, dazu das Europa-Center. Man hatte oft das Gefühl, gerade das Europa-Center hat den Sprung in die neue Zeit irgendwie verpasst, ihm hängt noch immer der Charme der späten 70er, vielleicht der 80er Jahre an. Wer kennt noch die Eisbahn im Erdgeschoss? Längst vergangene Zeit. Aber jetzt wird alles wieder anders, alles besser. All das, was jahrelang brach lag, wird mit dem neuen Bikinihaus, mit dem neuen Luxushotel Waldorf Astoria Hotel runderneuert. Und der Berliner kann nicht kleckern, er kann nur „klotzen“: wieder wird alles ganz groß, ganz neu, ganz wunderbar. Der Berliner liebt Superlative. Wir hatten die erste elektrische Straßenbahn, die erste Ampel der Welt, nein, nicht ganz, nur in Europa, aber immerhin. Das stört den Berliner auch nicht. Und das ist auch irgendwie dieses Unkomplizierte an dieser Stadt.

Bei mir persönlich ist es auch immer wieder dieser historische Widerspruch, den Berlin in sich trägt. Es ist der Widerspruch zwischen dem alten und dem neuen Berlin. Das alte Berlin, das ist für mich persönlich das Berlin vor der Wende: meine Kindheit, meine Jugend, meine persönlichen Erinnerungen an diese Zeit, der Geist der eingeschlossenen Mauer-Stadt, die „Frontstadt“ im Kalten Krieg! Die Überschrift dieses Blog Beitrages, eine Lied-Zeile aus dem Ideal-Klassiker meiner Jugend, unserer heimlichen Hymne, bringt dieses Gefühl von einst so herrlich auf den Punkt – und immer wieder in Erinnerung. Zum Genießen: „Berlin, ich fühl‘ mich gut, ich steh‘ auf Berlin“ im Ausschnitt  live aus der Waldbühne.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=UTygF2V0MtY]

Vieles, was dort besungen wird, gibt es so nicht mehr. Das zeigt sich an so vielen Stellen im Text. Hier nur ein Beispiel:

Flasche Sekt hundertfünfzig Mark, 
fürn Westdeutschen, der sein Geld versäuft. 
Mal sehn, was im Dschungel läuft

Die (D)Mark ist weg, ersetzt durch den Euro. Dann ist da diese schöne Formulierung „Westdeutsche“. Ja, das waren immer die anderen, die aus Hamburg, Düsseldorf, München und Stuttgart, die mit ganzen Schulklassen nach West-Berlin geschickt wurden, einmal über die Mauer geschaut haben, durch den Reichstag und die Ausstellung „Fragen an die Deutsche Geschichte“ gehetzt wurden und dann nach ein paar Tagen des „Rumnörgelns“ wieder in ihr – aus unserer damaligen Sicht – wohlbehütetes West-Deutschland durften. Aber wir waren anders! Wir waren die Berliner! Und dann natürlich der „Dschungel„, dieser legendäre Club. Wurde gerade noch einmal in dem neuen Lied von David Bowie zum Leben erweckt. Und wer dieses Gefühl noch einmal ein wenig nachvollziehen will, wer es vielleicht gar nicht mehr kennt, der Guardian wandelte vor kurzem auf den Spuren des alten West-Berlins. Und da das Video mit den Bildern dazu leider in Deutschland mittlerweile nicht mehr verfügbar ist, empfiehlt sich dazu ein weiterer Artikel des Guardian.

Und dazu der Widerspruch zu dem neuen Berlin – dem hippen Berlin, das sich jeden Tag fast komplett neu erfindet, dem Berlin, das überall (und aus den unterschiedlichsten Gründen) in aller Munde ist, das Berlin, das Seed so schön treffend in „Dickes B“ beschrieben hat: [youtube=http://www.youtube.com/watch?v=GYK-NfOo7b4]

Das neue Berlin, das man einfach mag oder nicht: Aber so ist Berlin!

Falls Ihr mehr über Berlin erfahren, Euch selber informieren wollt, hier ein schöner Überblick über verschiedene Blogs rund um das Thema „Berlin„, kann ich nur wärmstens ans Herz legen. Die Lektüre lohnt!

Eine Frage noch: Was ist denn Euer ganz persönliches Lied, wenn ihr an Berlin denkt? Vielleicht eine besondere Erinnerung an eine ganz spezielle Situation? Bei mir gehört auf alle Fälle noch Nepper Schleper schlechte Rapper mit „Sommer in Berlin“ als Gute-Laune-Sommer-Berlin-Schlager dazu. Bin gespannt auf Eure Lieblings-Berlin-Lieder!

Ob das alte oder das neue Berlin, egal: Ich mag Berlin einfach, weil es so ist wie es ist…!

PS Ach ja, ich vergaß, eigentlich bin ich ja Spandauer

0 Gedanken zu „Dirk Arendt: „Berlin, Berlin, Berlin…““

  1. Dickes B ist großes Kino! Gute Wahl! Und über den Artikel zum Stutti musste ich wieder schmunzeln – der ist so passend 🙂 ich wüsste auch nicht, warum man woanders wohnen wollen würde.
    PS: Strausberg – Bundeswehrakademie, oder?

  2. dear mr arendt – we had to read you via google translate because our german is nicht sehr gut but it was a fascinating read and we particularly enjoyed the young men in snazzy suits and proper canes doing a reggae/rap/courtly dance through the streets of your beloved city.

    wonderful.

    we shall visit again.

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