Freitag war wieder einer dieser Tage, wo mir deutlich vor Augen geführt wurde, wie weit weg wir mit der ein oder anderen Idee zum Thema eGovernment sind – weg von der Realität in den deutschen Amtsstuben. Und das sind dann doch schon sehr, sehr unterschiedliche Welten: Die, auf die man vor Ort trifft, und die, über die man so liest und – zugegebenermaßen auch selber – schreibt oder sich zumindest Gedanken macht.
Aber wie kam es zu dieser Erkenntnis? Ich hatte einen dieser vielzitierten und statistisch belegten 1,3 Behördenkontakte pro Jahr. Ich musste aufs Amt. Selbst und persönlich. Nach dem Ziehen der obligatorischen Nummer, einem hinweisenden Gespräch mit der – sagen wir mal vorsichtig: nicht ganz so serciveorientierten – Empfangsdame im Bürgerbüro, einer wider Erwarten kurzen Wartezeit, dem Entrichten der obligatorischen Verwaltungsgebühr an einem Kassenautomat stand ich schon vor dem mir zugewiesenen Zimmer.…WEITERLESEN…
An dieser Stelle muss ich kurz ausholen und zwei Dinge näher erklären. Zum einen befand sich der Raum, dem ich zugewiesen war, in der hintersten Ecke. Also nicht, dort wo die anderen Zimmer waren, sondern separat direkt hinter dem Empfangsbereich – eine Art große „Besenkammer“ sozusagen. Zum anderen habe ich in den letzten Jahren meine bescheidene Stimme des öfteren erhoben und um mehr Aufmerksamkeit für eGovernment geworben. Mehr Werbung, mehr Marketing für die Vorteile des eGovernment, ganz einfach, bringen auch mehr Akzeptanz. Österreich hat das – wie so oft – schon vor Jahren vorgemacht. Und dann die Überraschung: Direkt vor dem mir zugewiesenen Raum – sie erinnern sich: also genau da, wo der eigentliche Prozess schon fast gelaufen ist – steht ein „mannshoher“ Werbebanner für die einheitliche Behördenrufnummer “115”. Hallo…?! Warum denn ausgerechnet da? In der hintersten Ecke. Warum nicht vielleicht auf der Strasse VOR dem Rathaus, im Eingangsbereich oder wenn das nicht geht, zumindest vor dem Wartesaal? Ihr wollt doch die Leute vor ab informieren oder…!?
Egal. Nach einem kurzen und netten Gespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter bekam ich auch schon den Ausdruck ausgehändigt. Aber nur ein kurzes “Ich bräuchte es aber auch digital, muss es noch weiterleiten” zeigte das ganze Dilemma auf: „Ne, das müssen Sie scannen und dann können Sie es doch weiterleiten. Aber, ne, weiterleiten, dit geht nicht, jibt dit Programm nicht her, hat aber och noch nie jemand jewollt…“. Es war also nicht möglich, das Dokument auch als “Digitales” zu erhalten. Warum ist es bitte so schwer, liebe Fachverfahrenshersteller, aus dem Programm heraus eine Mail mit einem angehängten PDF an den Antragsteller zu verschicken? Das ist kein Teufelswerk, das geht, glaubt mir.
Ja, und das ist dann auch irgendwie das Problem: Auf der einen Seite die Realität in deutschen Amtsstuben, auf der anderen Seite viele Köpfe, viele Menschen, die sich jeweils separat um eGovernment kümmern. Und so absurd wie das klingen mag, alle wollen nur das eine: Veränderungen in der Verwaltung. Veränderungen hin zu einer Verwaltung, die den Herausforderungen der Netzwerkgesellschaft der Zukunft gewappnet ist. Aber sind wir uns der Realität des momentanen Zustands der Verwaltung wirklich bewusst? Oder verkennen wir die wahren Probleme in den deutschen Behörden? Ist es nicht zu oft nur „Alter Wein in neuen Schläuchen“ was an Strategien gedacht und in eGovernment-Lösungen produziert wird? Oder jahrelange Diskussionen um irgendwelche Anbindungen eines x-beliebige Fachverfahrens? Ich weiß selber, dass es fast immer am lieben Geld scheitert: eGovernment ist einfach nicht wahlkampftauglich! Aber fehlt es nicht eher an ganz grundsätzlichen Ansätzen? Vielleicht – aber auf der anderen Seite ist es die richtige Zeit für Veränderungen. Wir alle können es zusammen angehen, können es auch zusammen vorantreiben und sogar zusammen umsetzen. Das Wort „zusammen“ ist an dieser Stelle bewusst ein wenig strapaziert, aber das sei mir gestattet. Denn was wir von der Netzgemeinde lernen können, das ist gerade dieses „Zusamen“. Die Netzgemeinde denkt und arbeitet viel mehr zusammen, als wir es aus unserem bisherigen Arbeits- und Berufsleben kennen.
Können wir daraus etwas für unser Thema mitnehmen? Ja, und mir fällt sofort eine Begebenheit der letzten Tage ein, wo ein Kollege mahnte, „wir bräuchten jetzt mal ein strategisches Papier für die Politik“. Und genau diese Idee hatte ich schon dreimal zuvor in der Woche gehört. Und so entstehen wieder verschiedene Schriften, die alle das gleiche Ziel haben, aber – anders als in der Netzgemeinde – separat gedacht und separat erstellt werden. Wie schrieb doch der Kollege Habbel erst vor ein paar Tagen so schön: “Open Data ist in erster Linie eine politische und dann erst eine verwaltungsorganisatorische Frage.” Für mich persönlich sind Open Data – und auch Open Government – jeweils für sich gesehen Bausteine einer grundlegenden und umfassenden Verwaltungsmodernisierung. Also, nehmen wir doch den Ball auf, den Herr Habbel aufs Spielfeld geworfen hat. Gehen wir den gemeinsamen Weg. Tragen wir alle, die wir uns der Notwendigkeit der Veränderungen unserer Verwaltung bewusst sind, unsere Ideen zusammen. Sammeln wir an einer Stelle, was wir in den Programmen der verschiedenen Parteien zu unserem Thema sehen wollen. Machen wir unser Thema endlich zu einem politischen Thema! Strapazieren wir unser Anliegen, bis es dort angelangt ist, wo es hingehört: Auf die politische Tagesordnung! Überzeugen wir die politischen Entscheider von der Notwendigkeit der Reform unserer Verwaltung, des neuen Zusammenspiels von Verwaltung und Zivilgesellschaft sowie einer Neuausrichtung des gesamten politisch-adminstrativen Systems durch den Einsatz von IT.
Hier der link zu dem Dokument „Verwaltungsmodernisierung: Eine co-produzierte politische To-Do-Liste„. Den Anfang habe ich mit zwei ersten Aufschlägen gemacht. Jetzt seid ihr dran. Ihr alle, denen die Verwaltung nicht nur am Herzen liegt, sondern die sie auch für die Zukunft erfolgreich mitgestalten wollen .
Ich habe im Google Dokument einige Ergänzungen vorgenommen – weiß allerdings nicht, ob Du die vom Ursprungstext unterscheiden kannst.
Wir werden das Dok jetzt am Wochenende noch einmal aufarbeiten und in der kommenden Woche erneut in die Runde schicken. Die Idee ist es eine Art Offenen Brief draus zu machen. Danke aber für deinen Input!
Schön geschrieben. Leider etwas lang geraten. Kurz fassen und das elementare rausarbeiten. Weniger ist oft mehr….
Bin ja noch am Üben… 😉 Aber danke für den Hinweis! Auch mal in das offene Dokument geschaut…?