Zu viele Baustellen – ein starker IT-Planungsrat könnte helfen!

Baustelle In den Anfängen des eGovernment startete das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderte Projekt MEDIA@Komm. Damals war ich noch ein junger und ungestümer Wissenschaftler, der häufig über das Ziel hinaus schoss. Alle Beteiligten wollten soviel, vielleicht zu viel. Heute gehöre ich in der eGovernment Community schon eher zur älteren Generation. Über die Jahre hinweg habe ich gelernt, was geht und was nicht geht – was in der Theorie als möglich erscheint, ist in der Praxis häufig nicht so einfach umsetzbar.

Seit MEDIA@Komm haben sich viele Rahmenbedingungen nochmals geändert: Ein Modem als Grundlage jeglicher Kommunikation ist längst aus der Vorstellung der meisten Menschen verschwunden, Speicherplatz ist nicht nur überall verfügbar, sondern auch so preiswert wie nie und mittlerweile ist der „Zugang zum Internet und auf seine vielfältigen Inhalte von zentraler Bedeutung für die Lebenshaltung“ sogar vom BGH anerkannt.

Trotzdem lohnt es sich, von Zeit zu Zeit den Blick rückwärts zu wenden und gemachte Erfahrungen bei der Entwicklung der zukünftigen Strategien zu reflektieren. Viele Fehler, die wir damals schon gemacht haben, stellen wir auch heute noch nicht ab. Schon seinerzeit fehlte es an Koordinierung und Steuerung zwischen den verschiedenen Aktivitäten beim Bund, in den Ländern und den Kommunen. Und: Wir haben – damals wie heute – oftmals nicht weit genug die Entwicklung vor Augen gehabt, haben uns in kleinteilige Fachverfahrensdiskussionen verrannt, anstatt das große Ganze vor Augen zu haben.

Aber wie behält man bei den vielen Einzelbaustellen das große Ganze im Auge?…BITTE WEITERLESEN…

Es hilft, sich an einem vorgedachten und definierten Leitbild der Verwaltung der Zukunft zu orientieren und die entsprechenden Maßnahmen abzustimmen. Es hilft auch, Leitplanken zu setzen, die einen bestimmten Rahmen für diese Maßnahmen vorgeben. Sicherlich können wir nicht jede Entwicklung vorhersehen. Aber wenn wir zu sehr vom Kurs abkommen oder sich Rahmenbedingungen ändern, hilft uns ein klares Leitbild entsprechend nachzujustieren – uns wieder einzunorden. Aber das geht nur, wenn wir das Ziel – das Leitbild – zu jeder Zeit fest vor Augen haben. Dazu müssen wir uns dieses Leitbild erarbeiten. Und dazu gehört letztendlich (nicht mehr und nicht weniger) die Klärung so elementarer Fragen wie “Welche Aufgaben nimmt die Verwaltung der Zukunft wahr?“ und „Wie versteht sie sich in einer globalisierten Netzwerkgesellschaft?”. Anhand dieser Vorgaben muss nach einer Bestandsaufnahme schnellstmöglich mit dem Aufbau und der Organisation einer zukunftsfähigen technischen Struktur sowie netzwerkfähiger Prozesse begonnen werden. Und auch hier hilft das Leitbild zur Orientierung weiter: Wir müssen uns jetzt und heute den Fragen stellen, wie eine staatliche Cloud als sichere Infrastruktur aufgebaut, strukturiert, gesichert und betrieben werden kann. Ob diese Cloud nur für die interne Arbeit der Verwaltung zur Verfügung stehen soll oder auch für den Bürger? Ist es zukünftig staatliche Aufgabe oder gehört es gar zur staatlichen Daseinvorsorge der Zukunft, dass der Bürger neben einem freien und garantierten Zugang zum Netz auch Anspruch auf neutrale Suchergebnisse hat? Entwickelt sich der Datenschutz zu einem grundrechtsähnlichen Anspruch? Und es werden mit der weiter fortschreitenden Digitalisierung unserer Gesellschaft weitere Fragen auf die Entwicklung der Verwaltung und unser Leitbild hinzukommen.

Neben diesem Leitbild benötigen wir aber auch eine “starke Hand”, die die Umsetzung steuert und – wenn nötig – wieder einnordet. Deutschland auf seinem Weg in die Netzwerkgesellschaft benötigt eine Institution, die diese beiden Aufgaben erfüllen kann: visionär weitblicken und gleichzeitig steuernd umsetzen. Ein politisches Führungsgremium, das schnell und repräsentativ im Sinne der föderalen Struktur mit dem Leitbild im Kopf entscheiden kann und somit auch künftige Innovationen ermöglicht. In Betracht kommt hier nur eine Institution wie der durch Staatsvertrags zur Ausführung von Art. 91c GG legitimierte IT-Planungsrat. Das Gremium „krankt“ bisweilen noch an einigen Stellen. Schon der gewählte Name ist für die komplexe Aufgabe eigentlich wenig hilfreich, suggeriert doch die Bezeichnung “IT” ein sehr spezielles Betätigungsfeld. Es geht aber nicht allein um IT, es geht vielmehr um die Gesamtaufgabe Verwaltungsmoderniserung. IT ist nur ein Teil davon, nur ein Instrument dafür. Weiterhin fehlt ein entsprechender organisatorischer Unterbau zur Unterstützung der wahrzunehmenden Aufgaben und zur Begleitung des Modernisierungsprozesses.

Was uns bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben aber nur helfen kann, ist ein starker IT-Planungsrat, der ggf. mittels einer Ermächtigungsgrundlage für Bund, Länder und Kommunen das Leitbild der Verwaltung der Zukunft ressortübergreifend bestimmt und umsetzt. Er erhält eine Legitimation zur Modernisierung der föderalen Struktur der Verwaltung, setzt über einen ihm unterstellten organisatorischen Unterbau Akzente hinsichtlich der technischen Steuerung und Umsetzung (“Cloud-Infrastruktur”) und verwaltet die Mittel. Die verschiedenen Aktivitäten im Bereich eGovernment, der Modernisierung der Verwaltung sowie weiterer Projekte zur Erneuerung Deutschlands müssen endlich ressortübergreifend zusammengebracht und gemeinsam ausgerichtet werden. In diesem Zusammenhang sei an die mahnenden Worte des Nationalen Normenkontrollrat (NKR) erinnert:

Mit dem E-Government-Gesetz werden die zentralen Weichen für zukünftiges Verwaltungshandeln in Deutschland gestellt. (… ) Diese Umsetzung erfordert zwingend die Aufstellung eines ressortübergreifenden Masterplans „E-Government-Gesetz“, der kurz- und mittelfristige Realisierungsziele zum Aufbau wesentlicher Infrastrukturkomponenten enthält. Dies beinhaltet naturgemäß, dass die Möglichkeit bestehen muss, vom Ressortprinzip abzuweichen.” (zitiert aus: Bundesrat Drucksache 557/12 vom 2. Dezember 2012)

Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Wir benötigen jetzt eine Bestandsaufnahme unserer Infrastrukturen. Und wir benötigen jetzt den gedanklichen Anstoß, was wir zukünftig unter einer Infrastruktur verstehen. Bei den anstehenden Aufgaben müssen alle Akteure Mut und Entschlossenheit zeigen, den aufgezeigten Weg innerhalb der vorgedachten Leitlinien zu bewältigen. Jetzt muss für die Zukunft gedacht und gehandelt werden. Hierzu muss auch auf der Ebene des Bundes das Thema der Kooperation vorgelebt werden. Lippenbekenntnisse allein helfen nicht weiter. Hier bietet sich der Nationale Normenkontrollrat an, mit dem zusammen auch rechtliche Fragen, die einer Modernisierung der Verwaltung entgegenstehen, diskutiert und Lösungen erarbeitet werden können.

Aber Deutschland auf dem Weg in die Netzwerkgesellschaft benötigt dringend auch ein Gremium, das schnell und repräsentativ im Sinne der föderalen Struktur Entscheidungen für die Zukunft treffen, ggf. auch rechtlich nachjustieren kann. Technik verändert sich rasant schnell. Wir müssen gewappnet sein, um uns den anstehenden Herausforderungen der Zukunft zu stellen. Wer kann jetzt schon die Zukunft der IT voraussehen? Wie reagieren wir beispielsweise auf die schnellen Veränderungen im Bereich des mobile Government? Sind wir diesen Herausforderungen der mobilen Entwicklung mit der DeMail oder dem neuen Personalausweis gewacshen? Auch hier kann ein starker und mit einem entsprechenden Mandat legitimierter IT-Planungsrat schnell und unabhängig aber auf die Zukunft bzw. das Leitbild fokussiert entscheiden. Nur so kann dem „Unerwarteten auch eine Chance gegeben werden“ – nur so können wir die Wettbewerbsfähigkeit unser Verwaltung für die Zukunft sichern.

Mit dem E-Government-Gesetz des Bundes könnte sich Deutschland vielleicht – endlich – eine rechtliche Grundlage für die vernetzte Verwaltung schaffen. Genau wie unsere Wirtschaft in den letzten Jahren digitalisiert worden ist, ist die Digitalisierung und Vernetzung unserer Verwaltung mit  Wirtschaft und Bürgern von essentieller Bedeutung für den Standort Deutschland und für die nachhaltige Sicherung unseres Gesellschaftsmodells. Aber nur ein politisch akzeptierter und mittels Ermächtigungsgrundlage legitimierter IT-Planungsrat kann die notwendige strategische und steuernde Funktion einnehmen, um Deutschlands Weg in die Zukunft erfolgreich zu bestimmen und abzusichern.

0 Gedanken zu „Zu viele Baustellen – ein starker IT-Planungsrat könnte helfen!“

  1. Das klingt irgendwie nach „Machtergreifung“. Der 30. Januar war gerade. Wie gesagt, es ist nur so ein Gefühl …. Diese ultimative Verheißung sollte nachdenklich machen. So wir das nichts!

    1. Nein, mit Machtergreifung hat es und soll es nun wirklich nichts zu tun haben. Aber „danke“ für den Hinweis, hab ja lange über dem Text „gebrütet“. Es geht nur darum, ein Gremium zu entwickeln, das koordiniert und abgestimmt vorgehen kann. So etwas ist meiner Meinung nach zwingend notwendig. Und da kann (sieh Text!) der schon existierende und sogar mittels Staatsvertrag legitimierte IT-Planungsrat helfen… Siehst du andere Möglichkeiten?

  2. Fraglich ist, ob die Akteuere, die seit Jahren an den Themen fallweise miteinander, gegen- oder nebeneinander agieren, aus sich selbst heraus in der Lage sind, dieses Dilemma zu lösen. Der Zwang oder Anstoss zu koordiniertem und gemeinsam geplanten Vorgehen kann denke ich nur von aussen, von bisher „unverbrauchten“ Akteuren kommen. Wer oder was könnte das sein? Und wie passen förderale Strukturen und zentral koordiniertes Vorgehen besonders bei IT Projekten zusammen?

    1. Ja, das sind gute Fragen, auf die auch noch keine – allumfassenden – Antworten habe. Der Text soll in erster Linie erst mal ein Gedankenanstoß sein, ein „Wachrüttler“ sozusagen. Ich bin ja auch nicht so anmaßend, dass nur ich eine Lösung aus dem Hut zaubern kann. Aber es geht m.E. auch darum, dass wir eine solche Debatte öffentlich führen. Wenn wir in der Netzwerkgesellschaft der nächsten Generation(en) bestehen wollen, dann müssen noch ganz andere Probleme geknackt, ganz andere Punkte angegangen werden. Ich nehme als Beispiel nur mal Art. 65 mit dem Thema der „Ressorthoheit“… Ein Anstoß von außen könnte z.B. in der o.g. Empfehlung des Normenkontrollrates zu sehen sein. Da wird es jetzt spannend, wie die einzelnen Ressorts damit umgehen. Aber das ist ein richtig großer Stein, der da ins Rollen gebracht wird. Und der – wenn er mal richtig rollt – auch viele Veränderungen mit sich bringen kann… Das könnte so ein wenig der von Ihnen angesprochene Anstoß von außen „unverbrauchter Akteure sein. Warten wir es mal ab.

  3. Es waere hilfreich zu wissen was die vorherigen Schwaechen der Strategieentwicklung und -implementierung ueber die fehlende Koordination hinaus waren, die Du ansprichst. Wie koennen alle an den Verhandlungstisch gebracht werden und kollaborativ auf das gleiche Ziel hin zusammenarbeiten?

    Mich wuerde auch interessieren was die Aufgaben und Kompetenzen eines IT-Planungsrates sein sollten. Von aussen hoert sich das Ungetuem sehr buerokratisch an. Aus meiner Sicht muessen alle Stakeholder mit an Bord sein – also auch die Cloud-Computing-Firmen, eventuell Wissenschaftler. Sind die mit Teil des Planungsrates?

  4. … ja mit den guten Ideen ist das so eine Sache. Wer könnte ernsthaft bestreiten, dass wir im Bildungswettstreit mit anderen Industrienationen durch den hier und heute möglichen Übergang vom klassischen Papier-Lehrbuch zum E-Learning (individuell, mobil, attraktiv, assistiert, aktuell ..) einen gewaltigen Schitt vorankämen? Gelingt uns aber – mit Ausnahme einzelner lobenswerter Initiativen, in Deutschland offensichtlich nicht. Schulbuchverlage schwimmen lieber mit, als dass sie vorngehen (fehlen ihnen doch neue Geschäftsmodelle). Die förderale Bildungsverwaltung scheint am Hungertuch zu nagen. Die Politk erkennt nicht die Aufgabe. Großprojekte in Deutschland, einschl. Flughäfen, Bahnhöfe, Energieversorgung … scheinen nicht mehr realiserbar.
    Gern lasse ich mich vom Gegenteil überzeugen …

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